Pilzfarm, Patenschaften und viele liebe Menschen

Ich war froh, wieder einmal in Armenien zu sein, nachdem ich am 2. März kurz nach Mitternacht am Zvartnots-Airport in Jerewan gelandet war. Über eine bekannte Online-Plattform hatte ich eine kleine Wohnung im Zentrum gemietet, wo ich mich nach der langen Reise zunächst zwei Tage ausruhen konnte, da Wochenende war. Natürlich habe ich mich nicht nur ausgeruht, sondern auch lange Spaziergänge durch die Stadt unternommen.

Mitarbeiterin Angela erfragt neue Informationen von einem Patenkind für den Jahresbericht

Am Montag begann dann der „Ernst des Lebens“. Baru Jambazian, der Leiter des DCF, nahm mich mit ins Büro, wo ich zunächst einen freien Arbeitsplatz für mich und meinen Laptop in der deutschen Abteilung fand. Hier sitzen – in wechselnder Kombination, da sie teilweise von zuhause arbeiten – die Übersetzerinnen Armine, Angela und Hasmik, sowie die Mitarbeiterin Kristine. Die ersten drei sorgen dafür, dass die Paten regelmäßig Berichte über ihre Patenkinder erhalten und dass Briefe an und von Paten übersetzt werden. Sie sind es auch, die die Paten, die zu Besuch nach Armenien kommen, bei Treffen mit den Kindern begleiten. Kristine ist für die Buchhaltung rund um die Patenkinder zuständig. Sie sorgt beispielsweise dafür, dass die Kinder ihre Geburtstagsgeschenke erhalten, dass Studiengebühren gezahlt werden usw.

In dieser Abteilung habe ich die meiste Zeit verbracht. Das verhalf mir zu einem guten Einblick in die Arbeit. Die Patenschaften gehören zwar nicht zu meinen Hauptaufgaben bei AMRO. Ich habe jedoch damit zu tun, vor allem dann, wenn neue Patenkind-Kandidaten oder verlassene Patenkinder auf die Website gesetzt werden müssen. Außerdem „verwalte“ ich inzwischen alle Kinder und Senioren, die keinen Paten haben. Daher war es ganz nützlich für mich, zum Beispiel „mal eben kurz“ Dinge abklären zu können und die Arbeit zu sehen, die auf der „anderen Seite“ gemacht wird.

Während der nächsten Tage hatte ich viele Begegnungen mit Mitarbeiterinnen (beim DCF arbeiten fast nur Frauen, die Männer sind eindeutig in der Unterzahl), Freiwilligen, Kindern aus dem Dorf der Hoffnung, meinen eigenen Patenkindern, aber auch Menschen, denen AMRO-Spender konkret geholfen haben oder noch helfen.

Gleich am ersten Tag hatte ich eine kurze Begegnung mit einem älteren Mann, der ins deutsche Büro kam, um einen Brief an seine Patin abzugeben. Eine weitere Seniorin besuchten wir einige Tage später zuhause, da sie ihre Wohnung vor lauter Schmerzen nicht verlassen konnte. Sie war sehr dankbar für die Lebensmittel, die sie über die Patenschaft erhielt und bat uns mehrmals unter Tränen, uns bei dem Paten in ihrem Namen zu bedanken. Es ist eine Sache, Berichte zu lesen, aber eine andere, persönlich zu sehen, wie sehr die Hilfe benötigt wird – und wie schlimm es ist, wenn sie plötzlich wegfällt.

Besuch bei einer Seniorin, die über eine Patenschaft versorgt wird

Natürlich habe ich auch meine eigenen Patenkinder getroffen, die inzwischen alle erwachsen sind. Zwei davon unterstützen mein Mann und ich weiter, da sie behindert sind, zwei andere, da sie studieren bzw. eine Ausbildung beginnen möchten. Auch ein ehemaliges Patenkind konnte ich wieder treffen. Der junge Mann erschien mit Frau und kleiner Tochter. Er hat eine gute Arbeit und kam vor etwa drei Jahren selbst ins Büro des DCF, um zu erklären, dass er die Patenschaft nicht mehr benötigte.

Ebenfalls im DCF-Büro traf ich Hamest, eine dreifache Mutter von Mitte Vierzig, die sich dank der Spenden einer Krebsbehandlung unterziehen kann (Projekt 1245, Express 6 2020).

Pilze werden in Strohsäcken gezüchtet

In der folgenden Woche war ich mit Anna Jambazian in Wanadsor, um Waleri, Anna und ihre Kinder zu besuchen. Sie leben in einem Containerhaus. Im Frühjahr 2021 stellten wir sie zum ersten Mal vor, da das Dach des Hauses undicht war und repariert werden musste (Projekt 1249, Express 2 2021). Dank Spenden konnte Waleri das Dach reparieren. Dies ermutigte die Familie so sehr, dass sie sich nun mit einer Pilzfarm selbstständig gemacht hat (Projekt 1265, Express 3 2023). Auch hier halfen Spenden bei der Beschaffung einer Klimaanlage, Saatgut und Heu. Zudem konnte die Familie in Eigenarbeit einige Dinge erstellen und einbauen, so zum Beispiel die Elektrik und ein Belüftungsrohr.

Anna erzählte, dass ihr Mann sich all diese Kenntnisse aus dem Internet angeeignet hat. Ich war sehr beeindruckt von der Familie und ihrem Unternehmen, das sie im Vorfeld gut geplant hatte.

In Wanadsor konnte ich wieder einmal erleben, wie sicher Armenien ist. Zum Mittagessen hielten wir an einem Fast Food Restaurant. Auf der Suche nach einem freien Tisch kamen wir an einem Platz vorbei, auf dem eine Handtasche völlig unbeaufsichtigt herumlag. Die Besitzerin kam erst einige Zeit später mit ihrem Tablett. Am Nebentisch saß ein junger Mann mit Laptop. Während er sich noch etwas zu trinken holte, ließ er den Laptop offen auf dem Tisch stehen. Nur einige Meter weiter befand sich ein Nebenausgang. Theoretisch hätte sich jemand ohne Probleme die Sachen nehmen und einfach verschwinden können. Offenbar war es jedoch eher unwahrscheinlich, dass das jemand tat.

Am nächsten Tag war ich zusammen mit Armine in dem Dorf Pokr Masrik südöstlich des Sewansees, um Mariam (Projekt 1262) zu besuchen, die blinde junge Frau, deren Schicksal so viele unserer Spender sehr berührt hat.

Wie es ihre Art ist, begrüßte sie uns sehr herzlich, auch ich wurde ausgiebig umarmt und geküsst. Außerdem hatte sie für mich eine Karte zum Frauentag angefertigt.

Mariam geht es inzwischen sehr viel besser. Dank Spenden konnte ein sauberes, einfach möbliertes Zimmer samt Badezimmer für sie eingerichtet werden. Fast noch wichtiger ist jedoch, dass sie regelmäßig von einer Sozialarbeiterin besucht wird, die ihr einige Dinge beibringt, aber ihr auch zuhört, wenn sie über die Probleme in ihrer Familie berichtet. Seit Mariam sich so öffnet, hat die Gewalt gegen sie nachgelassen, was sicher eines der wichtigsten Resultate des Projekts ist.

Mariam und Barbara sitzen auf Mariams Bett

In der folgenden Woche ging es mit allen drei Übersetzerinnen, der Freiwilligen Thea und einem Fahrer in die schöne Stadt Gjumri, wo wir das Projekt „Emili Aregak“ der österreichischen Caritas besuchten. Hier werden Menschen mit Behinderung betreut und angeleitet. Um die Eltern wird sich ebenfalls gekümmert. In der Innenstadt besuchten wir das Café „Aregak“, in dem junge Menschen mit Behinderungen arbeiten. Uns bediente eine junge Frau mit Downsyndrom. Ich bin nicht die Einzige, die davon träumt, ein solches Projekt auch in Jerewan zu verwirklichen.

Im Café Aregak

Während meiner Freizeit war ich natürlich in der Stadt unterwegs. Dank Übersetzerin Angela wusste ich, wie ich die Busse, die Metro und die dazugehörige App Yandex Go benutzen konnte, so dass ich auch Orte außerhalb der Innenstadt besuchen konnte, wie zum Beispiel das Genozid-Denkmal Zizernakaberd.

An einem Samstagnachmittag hatte ich die Gelegenheit, meine Armenisch-Lehrerin Astghik zu treffen. Sie unterrichtet mich seit fast zwei Jahren ziemlich regelmäßig einmal pro Woche online.

Leider gab es auch ein paar schlechte Tage während meines Aufenthaltes. Ich hatte mir eine Erkältung zugezogen und musste etwa eine Woche weitestgehend in meiner Wohnung verbringen. Daher konnten einige geplante Besuche und Unternehmungen leider nicht stattfinden. Aber auch ohne diese fehlenden Tage wäre mir die Abreise aus Armenien genauso schwergefallen. Egal, ob man als Tourist, als Freiwillige oder beruflich in das Land kommt, es ist einfach wunderbar, dort zu sein.

Bericht: Barbara Strohmenger