Ein unvergessliches Jahr in Armenien

INTERVIEW MIT DEN DCF-FREIWILLIGEN THEA JÜRGENSEN (21) AUS APENRADE, DÄNEMARK, UND NICO SINKE (20) AUS ERFDE, SCHLESWIG-HOLSTEIN

Wie seid Ihr auf die Idee gekommen, als Freiwillige in Armenien zu arbeiten?

Nico mit einem armenischen Jungen

Nico: Bevor ich die Schule beendet hatte, war mir klar, dass ich ein Jahr im Ausland verbringen wollte. Ich wusste aber noch nicht, wo ich hingehen und was ich machen würde. Ich habe mich mit ICJA [ICJA Freiwilligenaustausch weltweit e.V.] in Verbindung gesetzt, die mir Vorschläge gemacht haben. Mir war es wichtig, dass ich nicht in der Nähe von zuhause bin, sondern ich wollte gerne etwas anderes sehen. Das Projekt beim DCF hat mir am meisten zugesagt. Von Armenien hatte ich noch nie wirklich etwas gehört, abgesehen davon, dass ich einen armenischen Schulkameraden hatte.

Thea: Ich wusste auch immer schon, dass ich ein freiwilliges Jahr machen wollte. Ich habe das Europäische Solidaritätskorps gefunden. Dort werden verschiedene Projekte in Europa und in Partnerländern angeboten. Ich wollte auch gerne weg aus Europa, etwas anderes sehen, und habe mir verschiedene Projekte in Armenien angeschaut. Als ich von dem DCF-Projekt gelesen habe, wusste ich genau, das ist das Richtige und habe die Bewerbung dafür geschrieben. Für Armenien habe ich mich entschieden, weil sich alles, was ich über das Land, seine Kultur und Geschichte erfahren hatte, sehr interessant anhörte. Außerdem hatte ich gehört, dass Jerewan eine sehr sichere Stadt sei. Mir gefiel auch die Organisation in Armenien [HUJ – Voluntary Service of Armenia], unter anderem, da dort die Freiwilligen zusammen untergebracht sind.

Wo habt Ihr Euch beworben und welche Organisationen waren beteiligt?

Nico: Wir sind beide über das Europäische Solidaritätskorps gekommen. Aber man braucht eine Sendeorganisation im Heimatland. Das war bei mir ICJA. Dort habe ich mich beworben. Und man braucht eine Organisation in dem Land, in dem man ankommt. Für uns ist das HUJ. Diese Organisation sorgt für unsere Unterkunft, Taschengeld usw.

Thea: Ich habe mich direkt über das ESK-Portal beworben, das dann die Bewerbung an HUJ gesendet hat. Diese Organisation sucht die Teilnehmer der Freiwilligenprogramme in Armenien aus und schickt sie unter anderem zum DCF. Der DCF ist eine von mehreren Organisationen, die über HUJ Freiwillige bekommen.

Welche Kosten sind Euch entstanden?

Thea: Für uns ist das Freiwilligenjahr kostenlos. Auch unsere Flugtickets wurden uns erstattet.

Nico: Hier bekommen wir Unterkunft, Verpflegung und Taschengeld. Dies alles übernimmt das ESK.

Thea: Darum kann man sich das leisten, für ein Jahr als Freiwilliger zu bleiben.

Seit wann seid Ihr in Armenien und wie lange bleibt Ihr?

Thea: Ich bin am 31. März 2023 gekommen und wollte zunächst zehn Monate bleiben, habe aber um zwei Monate verlängert.

Nico: Ich habe direkt gesagt, dass ich für zwölf Monate bleibe, und zwölf Monate ist auch das Maximum beim ESK. Ich bin am 1. August 2023 angekommen und bleibe bis Ende Juli.

Habt Ihr die Möglichkeit, Sprachkurse zu besuchen?

Nico: Es gibt Kurse, die von HUJ organisiert werden, die wir kostenlos besuchen können.

Thea: Das ESK gibt vor, dass die Freiwilligen Sprachkurse im Gastland erhalten müssen. Für uns sind die Kurse zwar freiwillig, aber man wird dazu aufgefordert. Außerdem sollte man schon ein wenig Armenisch können, wenn man im Projekt arbeitet. Sonst wird es schwierig. Es lohnt sich auf jeden Fall, daran teilzunehmen.

Thea mit mehreren Kindern


Nun zu Eurer Arbeit – was macht Ihr beim DCF?

Nico: Wir arbeiten in vielen verschiedenen Bereichen. In anderen Projekten haben die Freiwilligen feste Arbeitszeiten und Aufgaben. Bei uns ist es nicht so. Zwar arbeiten wir jeden Tag mit Kindern, wir geben Englisch-Unterricht oder basteln mit ihnen, aber dies sind nur jeweils eine oder zwei Stunden. Manchmal machen wir Ausflüge in die Dörfer, in denen Menschen leben, die Hilfe vom DCF erhalten. Ein großer Teil unserer Aufgabe ist es, Lebensmittelpakete zu packen und auszugeben.

Nico bastelt mit mehreren Kindern

Thea: Im Sommer war ich zwei Wochen in Tumanjan im Norden von Armenien, um beim Ferienlager für Kinder aus der Region mitzuhelfen. Etwas Ähnliches haben wir im Oktober organisiert, für die Kinder, die aus Berg-Karabach geflüchtet sind. Wir werden auch gefragt, wenn irgendetwas geplant ist, ob wir mitmachen möchten. Es gefällt mir sehr, dass wir viele verschiedene Aufgaben haben. Durch die Fahrten lernen wir das wirkliche Armenien kennen. Ich finde das sehr cool.

 

Nico: Wir helfen auch manchmal in der deutschen Abteilung aus, indem wir zum Beispiel Berichte an Paten auf richtige Grammatik überprüfen und korrigieren. Außerdem waren wir eine Woche in Tumanjan, um das „Hot Meal Project“ [der niederländischen Organisation Mensenkinderen] zu besuchen.

Thea: Manchmal erstellen wir auch kleine Videos für die Spender, in denen wir von den Projekten berichten. Diese Videos werden zum Beispiel auf Instagram gepostet. Es gefällt mir, dass wir so viel Abwechslung haben. Wir sind zwar hier, um Freiwilligenarbeit zu leisten, aber auch, um etwas über das Land und seine Kultur zu lernen.


Wie habt Ihr das, abgesehen von Eurer Arbeit, erlebt, als auf einmal der Angriff auf Berg-Karabach erfolgte?

Nico: Es gab sehr viele Proteste in der Innenstadt.

Thea: Ich weiß noch genau, wie wir an dem Tag auf den Bus gewartet haben. Ich habe auf meinem Handy die Videos von Stepanakert gesehen. Man denkt sofort: „Oh nein, was ist das Nächste, das passieren kann?“ Ich hatte ehrlich gesagt nicht gedacht, dass es so weit kommen würde. Wir kommen ja aus sehr friedlichen Ländern, darum sind wir so etwas eigentlich gar nicht gewohnt, dass manchmal das Nachbarland einfach irgendwelche Angriffe startet. Das war schon ein Schock. Und auch, dass man Nachrichten von Behörden im Heimatland bekommt, sich von bestimmten Regionen fernzuhalten. Dann sind die Flüchtlinge gekommen. Man hat es auch an der Stimmung in der Stadt gemerkt. Es gab sehr viel Solidarität für die Menschen aus Arzach. Es ist ein komisches Gefühl, wenn man in die Grenzregionen fährt. Man denkt, dass man eigentlich gar nicht da sein sollte, aber dort gibt es auch Menschen, die Hilfe brauchen

Thea übergibt mehreren Kindern Lebensmittel

Gibt es von Eurer Seite noch etwas, das Ihr erzählen möchtet, besondere Ereignisse oder Erlebnisse?

Thea: Etwas Besonderes für mich war der Besuch bei Mariam. Ich hatte vorher schon von ihr gehört, aber sie zu treffen, wie liebevoll sie war, dass sie sich vor mich hingesetzt und mein Gesicht ertastet hat, war etwas anderes. Sie hat mir die Sachen in ihrem Zimmer gezeigt und ich habe ihr einige Wörter auf Deutsch beigebracht. Das Projekt finde ich sehr gut.

Nico arbeitet mit einer Gruppe Kinder

Nico: Für mich ist die Natur in Armenien sehr beeindruckend, die unterschiedlichen Regionen, die unterschiedlich aussehen. Dann natürlich die Menschen, die alle unglaublich freundlich sind. Man wird immer wieder eingeladen auf einen Kaffee oder so.

Thea: Das ist auch etwas, das immer bei mir bleiben wird, dass ich mit dem DCF Leute besucht habe, die in sehr schlechten Verhältnissen leben, aber dann wird man trotzdem bewirtet. Die Menschen sind immer sehr liebevoll.

Fragen: Barbara Strohmenger

Wer sich für einen solchen Freiwilligendienst interessiert, kann sich gerne hier informieren:

ICJA Freiwilligenaustausch weltweit e. V.

Europäisches Solidaritätskorps

HUJ – Voluntary Service of Armenia

Der DCF freut sich immer über ehrenamtliche Helfer!