Zur aktuellen Lage Armeniens

Mehrere Jungen sitzen draußen auf dem Boden und haben die Hände zum Gebet gefaltet

Der Sommer in Armenien war geprägt von widersprüchlichen Botschaften. Zum einen gab es leichte Spannungen mit Aserbaidschan, zum anderen aber schreitet der Friedensprozess langsam voran. Dabei stellt Aserbaidschan weiterhin inakzeptable Forderungen an Armenien. So gibt es immer noch Punkte in dem Vertrag, die umstritten sind und bei denen keine Einigung erzielt wird.

Dabei wird eine Drohkulisse aufrechterhalten, die Geschichte verfälscht, Armenien als Westaserbaidschan bezeichnet und Anspruch darauf erhoben. Selbst ein möglicher Friedensvertrag ändert nichts an dem Ziel, Armenien in der Zukunft ganz unter die Kontrolle Aserbaidschans zu bekommen.

Die UN-Klimakonferenz, COP 29, welche im November in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku stattfand, verschaffte Armenien ein wenig Zeit. Ein neuer Krieg war bis dahin unwahrscheinlich, und die Wintermonate sind in der Regel ungeeignet für eine größere Invasion Armeniens. Kleinere Kampfhandlungen sind jedoch eine ständige Gefahr.

In der Frage der Freilassung der Kriegsgefangenen gibt es weiter keine Fortschritte. Es laufen wohl Verhandlungen, jedoch führen sie zu keinem Ergebnis. Sie werden als Druckmittel benutzt, um Armenien zu Kompromissen zu zwingen.

Die armenische Regierung orientiert sich, wie im vergangenen Jahr, weiter mehr dem Westen zu, versucht gleichzeitig aber Russland nicht zu verärgern. Das ist ein riskanter Balanceakt. Was hinter den Kulissen läuft, ist schwierig zu beurteilen.

Die Lage der Flüchtlinge aus Berg–Karabach bleibt schwierig. Neben den psychologischen Traumata, dem Verlust der Heimat, der Erinnerungen, ihrer Lebensgrundlage müssen sie einen Alltag bewältigen, der unzählige Herausforderungen für sie bereithält. Eine Arbeit zu finden, die Wohnfrage zu lösen, die Kinder an die neue Umgebung zu gewöhnen, selber mit dem Erlebten zurechtzukommen und sich eine neue Lebensperspektive und Existenzgrundlage aufzubauen, ist anstrengend.

Eine Rückkehr nach Karabach, auch unter aserbaidschanischer Herrschaft, erscheint ausgeschlossen.

In Karabach wird eifrig Geschichtsfälschung betrieben. Armenische Spuren werden gezielt ausgelöscht, Friedhöfe zerstört, bei Kirchen und Klöstern die typisch armenischen Merkmale entfernt. So wird ein Narrativ aufgebaut, dass dieses Land niemals von Armeniern bewohnt wurde und die Aserbaidschaner die rechtmäßigen Besitzer dieses Landes sind. Armenien verbleibt in einer schwierigen Position mit einer ungewissen Zukunft.

Baru Jambazian, Leiter DCF Armenien