Der AMRO-Vorstand in Armenien

Iris Hollmann und Michael Schmidt, Vorstand AMRO, waren vom 18. bis 25.3.2023 in Armenien. Sie lassen uns durch ihren Reisebericht an ihren Eindrücken teilhaben.

Es war unsere erste Reise nach Armenien, und dementsprechend freuten wir uns auf die Zeit (Michael konnte aus privaten Gründen erst ab dem 21.3. anwesend sein). Iris Hollmann traf zu frühmorgendlicher Stunde mit Michaela Kuhlmann (Geschäftsleitung AMRO) in Jerewan ein. Nach etwas Schlaf trafen wir uns mit Anna Jambazian, Leiterin des Diaconia Charitable Fund (DCF), zum Brunch und guten Gesprächen über Arbeit und Kommunikation zwischen AMRO und dem DCF. Wir stimmten überein, dass wir vor allem im Bereich „Patenschaften“ gemeinsam eine sehr gute Basis haben und beschlossen, diesen weiter zu stabilisieren und miteinander zu prüfen, welche Ressourcen zur Veröffentlichung der positiven Auswirkungen einer Patenschaft bisher nicht ausreichend genutzt wurden.

Jerewan - Blick von den Kaskaden

Die Idee zu einem kleinen Image-Film kam auf, und wir beschlossen, die kommenden Tage dafür zu nutzen, Rohmaterial zu produzieren, das später für einen Film verwendet werden kann. Am Nachmittag trafen wir Gohar, eine „lebendige Erfolgsgeschichte“! Gohar ist ein ehemaliges Patenkind und musikalisch sehr begabt. Anlässlich der Konzerttournee 2019 war sie mit in Deutschland und spielte Canon. Sie flog einen Tag nach unserem Treffen nach Dubai, wo sie ein einmonatiges Engagement in einem Hotel bekommen hatte. Iris stellte Anna sehr viele Fragen, ließ sich vieles erklären und genoss gemeinsam mit den Weggefährtinnen am Abend zum ersten Mal super leckeres armenisches Essen.

Sonntag hatten Michaela und Iris die Möglichkeit, an einem armenischen Gottesdienst teilzunehmen. Trotz Sprachbarriere (5 Predigten, die Baru Jambazian, Leiter des DCF, uns grob übersetzte) und für uns ungewohnter Gottesdienst-Dauer (2,5 Stunden) spürten und genossen wir die Einheit im Leib Christi und das gute Miteinander. Im Anschluss aßen wir gemeinsam mit einigen Mitgliedern der Kirchgemeinde. Mit manchen waren sowohl Gespräche auf Englisch als auch Französisch möglich, was Baru als Übersetzer etwas entlastete. Am Nachmittag fuhren wir mit Anna nach Etschmiatsin, dem Sitz der armenischen Kirche und dem Katholikos (dem Oberhaupt, ähnlich dem Papst in der kath. Kirche). Dort gibt es viele Museen, ein Jungeninternat und theologische Ausbildungsmöglichkeiten. In einem Freiluftmuseum in der Nähe aßen wir zu Abend. Dort führte uns eine Frau spontan das Backen des traditionellen armenischen Brotes „Lavash“ vor. Wir staunten und genossen!

Kirche in Etschmiadsin

Am Montag holte Baru uns ab und wir fuhren ins Dorf der Hoffnung. Wir überlegten, wie wir unsere gemeinsame Arbeit weiter positiv voranbringen können. Es war bewegend zu erleben, dass der DCF ein treuer, verlässlicher und aktiver Partner vor Ort ist, der nicht einfach nur erwartet, dass wir etwas tun und sich zurücklehnt.

Wir lernten nach dem Gespräch auch alle weiteren anwesenden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen kennen. Am Nachmittag besuchten wir Schuschan, Michaelas „Paten-Omi“. Wir durften uns selbst davon überzeugen, wie sinnvoll die Hilfe für Seniorenpatenschaften ist. Und die Gastfreundschaft, die wir dort erlebten, war beispielhaft. Es wurde alles aufgetischt, was die Speisekammer hergab, und alle Generationen packten – unter der Leitung der 81-jährigen Schuschan – beim Kochen mit an.

Ab Dienstagmorgen war dann auch Michael Schmidt mit an Bord. Müde aber glücklich schloss er sich uns ab dem Frühstück an. Wir fuhren wieder ins „Dorf der Hoffnung“ und besuchten alle Abteilungen der Verwaltung, des Ausbildungszentrums BAZ, des Freizeitbereichs und machten einen Spaziergang durch das Dorf. Hier wurde Michael zum ersten Mal der Umfang und die Dimension der gesamten Arbeit des DCF bewusst. So lernten wir auch die strategische Ausrichtung und Wichtigkeit von der Zahnarztpraxis schätzen: Alle Patenkinder können dort versorgt werden, das Niveau ist hervorragend.

Die Zahnarztpraxis im Dorf der Hoffnung

Und die Bäckerei bildet junge Bäcker und Bäckerinnen aus, die sich in Zukunft selbst ernähren können. Dass die Ergebnisse schmecken, durften wir selbst feststellen. Michael und Iris war bis dahin nicht klar, dass in Armenien eine Ausbildung Geld kostet und viele sich daher gar keine Ausbildung leisten können. Auch die Näherinnen-Ausbildung ist hochqualifziert und ermöglicht den Absolventinnen, im Anschluss für sich selbst sorgen zu können. Ebenso leistet die Näherei „NAZE“ als Wirtschaftszweig mit ihrem Verkaufs- und Marketingbereich eine super Arbeit (Michaela und Iris erstanden einige Artikel und hatten später Probleme, ihre Koffer zuzubekommen). Nach Vorgaben werden Kleidung, Bettwäsche und Haushaltswaren angefertigt. Falls jemand Berufskleidung benötigt …? Einfach melden und nachfragen!

Michael Schmidt setzt sich eine Bäcker-Mütze auf

Michael war beeindruckt davon, wie vielfältig die Arbeit des DCF ist und wie tief die Dinge entwickelt und fein justiert sind. Dies zeigt, dass sehr lange und intensive Entwicklungsarbeit in jedem einzelnen Projekt steckt.

Am Nachmittag wurde Michael ein intensiver Einblick in die Buchhaltung und alle damit verbundenen Arbeiten ermöglicht. Jedes Projekt wird sehr genau dokumentiert, und es kann zu jeder Zeit Einblick in den aktuellen Stand genommen werden. Nicht nur zu jedem Patenkind, sondern auch zu jeder Sonder- oder Projektspende. Durch ein selbst entwickeltes EDV-Programm ist eine gute Übersicht gewährleistet.

Michael Schmidt und drei Mitarbeiterinnen des DCF schauen auf einen Computer

Die Kompetenz von Anna und Team ist überzeugend. Auffallend gut in allen Bereichen ist die hohe Führungskompetenz von Baru und Anna und ihr äußerst liebevoller Umgang mit den rund 70 Mitarbeitern, von denen jeder eine echte Perle ist. Michael wurde deutlich, wie nachhaltig eine Kinderpatenschaft ist, wenn die Kinder langfristig aus der Armut geführt werden können, indem ihre Gaben gefördert und eine Ausbildung ermöglicht wird. Sie bekommen dadurch die Möglichkeit, später auf eigenen Füßen zu stehen und ein würdiges Leben zu führen.

Währenddessen waren Michaela und Iris in der Markthalle und wurden vom Angebot von Trockenfrüchten, Lavash und weiteren Leckereien fast erschlagen. Der Tag klang bei einem armenischlibanesischen Abendessen und guten Gesprächen aus.

Mädchen beim Teppichknüpfen

Am Mittwoch fuhren wir mit Armine und einem Fahrer zum Sevansee. Dort besuchten wir eine Familie mit drei Patenkindern. Es war ein Schock für uns, zu sehen, wie diese Menschen leben. Im Anschluss besuchten wir eine Nachmittags-Einrichtung (vom DCF) in Shoghakat, wo Kinder das Knüpfen und Robotik (IT-Kurs) erlernen können. Die Kinder und Jugendlichen lernen unter fachlicher Anleitung, Teppiche zu knüpfen oder zu programmieren. Wir durften auch selbst unsere Fähigkeiten austesten.

In der Nachbarschaft befndet sich eine Schule, die wir ebenfalls spontan besuchten. Wir lernten die Rektorin kennen. Es ist sehr ernüchternd, in welchem Zustand sich die Schulen befnden. Laut Baru ist diese Schule sogar noch in einem recht guten Zustand. Anschließend besuchten wir eine weitere Familie mit drei Kindern, die sich im Patenschaftsprogramm befnden. Eines der Kinder spielte uns spontan ein Stück auf einem alten Akkordeon vor. Die mitgebrachte Schokolade machte allen sichtlich Freude. Im Anschluss hatten uns Annas Eltern ein fürstliches Mittagessen zubereitet. Es war eine Freude, diese Menschen kennenzulernen und bei ihnen einen sehr herzlichen Ausklang des Nachmittags zu erleben. Gastfreundschaft ist keine Frage der Sprache, sie ist eine Sprache des Herzens.

Ein Mädchen spielt Akkordeon

Auf dem Rückweg machten wir Halt bei der Apfelplantage. Durch Spendengelder (aus den Niederlanden) wurde eine professionelle Apfelplantage mit Tropfenbewässerung und Hagelnetzen errichtet. Der Nutzen ist doppelt: Es werden Arbeitsplätze geschaffen und frische Lebensmittel für Hilfspakete generiert.

Am Donnerstag fuhren wir schon früh los nach Berd zur Suppenküche. Nach etwa drei Stunden Holperstrecke waren wir dort. Wir wurden herzlich vom Pastor und den Mitarbeitern empfangen. Die Kirchgemeinde kümmert sich um die Ausgabe der Suppe und stellt in Kürze neue Räume in dem neu errichteten Gemeindehaus zur Verfügung. Die Zusammenarbeit zwischen dem DCF und der Kirchgemeinde steht unter einem besonderen Segen. Michael legte bei der stattfndenden Ausgabe der Suppe selbst Hand an und war erschüttert darüber, dass diese Mahlzeit für viele, die kommen, die einzige Mahlzeit des Tages ist.

Michael Schmidt hilft in der Suppenküche

Auch wenn die Küche sehr einfach ausgestattet ist, sind die Mitarbeiterinnen mit ganzem Herzen bei der Sache und sind gründlich und sehr sauber. Berd ist eine kleine Industriestadt, die früher, zu Zeiten der UdSSR, noch mit Fabriken und Arbeit für die Einwohner versorgt war. Nach dem Zusammenbruch, so erscheint es, wurde dieser Landstrich, der nahe an der aserbaidschanischen Grenze liegt, fast vergessen. Nach der Essensausgabe lud die Kirchgemeinde uns zu einem guten gemeinsamen Mittagessen ein. Eine Mitarbeiterin erzählte von ihrem kürzlichen Besuch in Arzach und der Verzweiflung, die ihr dort entgegenschlug. Die dort eingeschlossenen rund 120000 Menschen haben Hunger nach Gottes Wort. Sie befnden sich in einer fast ausweglosen Situation. Und das Schlimme ist, dass der Rest der Welt sie so gut wie gar nicht beachtet. Sie müssen sich mit ihren Feldern selbst versorgen, bauen Schutzbunker und Handgranaten – und bereiten sich auf den nächsten Kampf vor.

In Berd lebt auch die Seniorin Wenera, die eine deutsche Patin hat. Wenera kommt täglich in die Suppenküche, isst dort und bekommt auch ihr Nahrungsmittelpaket von den Mitarbeiterinnen zu schmackhaftem Essen zum Mitnehmen verarbeitet. Auch der Rückweg betrug wieder rund drei Stunden und führte über eine mehr oder weniger starke Buckelpiste. Bis wir wieder in Jerewan waren, war der Tag vorüber. Wir gönnten uns noch einen kleinen Snack und beendeten den Abend mit guten Gesprächen.

Der Vorstand und Michaela Kuhlmann mit Wenera

Am letzten Tag, dem Freitag, fuhren wir wieder ins Dorf der Hoffnung. Michael beschäftigte sich ausführlich mit der Abrechnung der Suppenküche. Die Prüfung machte deutlich, dass die Zahl der Essen auf 100 aufgestockt werden kann. Dies wird angegangen, sobald die Suppenküche in die neuen Räume eingezogen ist. Der Nachmittag gehörte der Begegnung mit Patenkindern. Die Gespräche gingen in die Tiefe. Wir lernten uns nicht nur kennen, sondern erfuhren auch die Sorgen und Nöte jedes Einzelnen. Bei einigen reicht die normale Versorgung durch eine Patenschaft nicht aus, da auch die Medikamente sehr teuer sind und selbst gezahlt werden müssen. Iris lernte ihr Patenkind Warduhi kennen. Obwohl das Mädchen eine Ohren-Operation hinter sich hatte, war sie nicht davon abzubringen, ihre außergewöhnlichen Tanzkünste in dem musikalischen Programm zu zeigen, das von einigen Patenkindern aufgeführt wurde.

Der Vorstand mit mehreren Kindern - einige davon mit Behinderungen - die Musikinstrumente halten

Wir alle waren von der Darbietung sehr berührt. Nach dem Abschied fuhren wir ins Lebensmittellager, wo zwei Ehrenamtliche dabei waren, die Lebensmittelpakete für jedes Patenkind abzuwiegen und zusammenzustellen. Die Lebensmittel werden in großen Mengen eingekauft und von Hand verpackt. Leider ist dadurch die Vergabe von frischen Lebensmitteln fast nicht möglich.

Fazit: Eine Kinderpatenschaft ist ein Segen für die Kinder und ihre Familien. Sie gibt Perspektive und die Möglichkeit, eine gute Basis für das Leben als Erwachsener zu bauen. Jedes einzelne Kind ist eine Perle, jede Patenschaft macht einen großen Unterschied.

Wir hoffen, bald wieder in Armenien sein zu dürfen.