Zur Situation in Armenien

Eine Gruppe Menschen sitzt in einem Halbkreis auf verschiedenen Sitzgelegenheiten; im Zentrum steht eine Frau, die ein Baby im Arm hält

Liebe Freunde Armeniens,

im Jahr 2024 warten viele Herausforderungen auf Armenien. Es wird ein entscheidendes, wichtiges, aber auch sehr gefährliches Jahr.

Armenien ist weiterhin mit geopolitischen Herausforderungen konfrontiert. Nach wie vor bedrohen Aserbaidschan und die Türkei die Existenz Armeniens. Der endgültige Verlust Karabachs hat den Appetit nicht gezügelt, die Spannungen in unserer Region sind weiterhin hoch und die Gefahr einer Invasion ist weiterhin aktuell.

Die Beziehungen zu Russland sind angespannt, da Armenien versucht, sich dem Westen anzunähern.Im Falle eines Krieges werden wir kaum auf die Unterstützung Russlands zählen können. Und in der jüngsten Vergangenheit haben wir die Erfahrung gemacht, dass außer vielen Worten und Ermahnungen nur sehr wenig konkrete Handlungen seitens der internationalen Gemeinschaft zu sehen sind.

Das hat eine tiefe Enttäuschung in der Seele der Armenier hinterlassen. Unser Volk fühlt sich allein gelassen.

Auch im Land selbst ist die Lage schwierig. Die ethnische Säuberung Karabachs führte zu 100.000 Flüchtlingen, die fast ausnahmslos nur mit dem ankamen, was sie am Leibe hatten oder in aller Eile packen konnten. Dies stellt eine große Herausforderung für unser Land dar. Es sind nicht genügend lebenswürdige Unterkünfte vorhanden, die Flüchtlinge müssen sich in der neuen Umgebung zurechtfinden, eine Arbeit finden. Die Traumata durch die fast zehnmonatige Blockade und den Krieg sind insbesondere bei den Kindern stark ausgeprägt.

Innenpolitisch hat die Regierung durch den Verlust Karabachs sehr viel Vertrauen in der Bevölkerung verloren. Die unaufhörlich überproportional steigenden Lebenshaltungskosten fördern den Unmut noch weiter. Resignation macht sich breit.

Armenien ist verwundet und existenziell gefährdet. Gibt es eine Zukunft? Hoffnung?Dies stellt auch uns als Hilfswerk vor große Herausforderungen. Gemeinsam mit AMRO erarbeiten wir Strategien, Projekte und Wege, um die Menschen unkompliziert zu unterstützen. Dabei werden wir täglich mit viel Leid konfrontiert, dürfen aber auch bewundernswerte Menschen kennenlernen, die, um mit Martin Luther zu sprechen, weiterhin fleißig Apfelbäume pflanzen.

Baru Jambazian, Leiter DCF Armenien